Zugang einer Kündigung 

§ 130 Abs. 1 S.1 BGB

Der ordnungsgemäße Auslieferungsbeleg mit der Unterschrift eines Postbediensteten erbringt den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten.
Wird ein Kündigungsschreiben per Einwurf- Einschreiben übersendet und legt der Absender den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens beim Empfänger.
(Leitsätze)

LAG Nürnberg, Urteil vom 15.6.2023 - 5 Sa 1/23

Problempunkt
Die Klägerin war bei der Beklagten als Zahnärztin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis konnte mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende eines Jahres beendet werden. Mit Schreiben vom 28.9.2021 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021. Das Kündigungsschreiben wurde der Klägerin am 30.9.2021 zugestellt. Der Arbeitgeber hatte das Kündigungsschreiben per Einwurf- Einschreiben übersendet. Die Klägerin berief sich darauf, ihr sei das Schreiben nicht mehr am 30.9.2021 zugegangen. Das Arbeitsverhältnis sei daher erst zum 31.12.2022 beendet worden.

Entscheidung
Die Kündigung ist der Klägerin nach Entscheidung des LAG noch am 30.9.2021 zugegangen und hat das Arbeitsverhältnis damit zum 31.12.2021 beendet. Der Arbeitgeber hatte als Beweis des ordnungsgemäßen Zuganges der Kündigung am 30.09.2021 den Einlieferungsbeleg des Einwurf- Einschreibens und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers vorgelegt. Dies wertete das LAG als Beweis des ersten Anscheines nicht nur für den Zugang des Schreibens beim Empfänger, sondern auch als Anscheinsbeweis dafür, dass das Schreiben der Klägerin am 30.09.2021 während der üblichen Postzustellzeiten zugegangen war. Zwar ergibt gibt sich aus dem Einlieferungsbeleg nur der Zustelltag, nicht aber die Uhrzeit. Bei Zustellung durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post sei aber grundsätzlich davon auszugehen, dass dieser die Zustellung innerhalb seiner zugewiesenen Arbeitszeiten vornimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sei zudem nach allgemeinen Verkehrsanschauung damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen typischerweise eine Leerung unmittelbar nach Abschluss dieser üblichen Postzustellzeiten erfolgt (BAG 20.3.2012 - 2 AZR 224/11). Mangels anderer Anhaltspunkte war der Klägerin damit das Kündigungsschreiben noch am 30.9.2021 zugegangen.

Konsequenzen
Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen. Wird ein Kündigungsschreiben per Einwurf- Einschreiben übersendet und legt der Absender den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbelegs mit der Unterschrift des Zustellers vor, spricht nach wohl herrschender Meinung der Beweis des ersten Anscheines für den Zugang des Schreibens beim Empfänger (BGH 27.9.2016 - II ZR 209 90/15; LAG Mecklenburg- Vorpommern 12.03.2019 – 2 Sa 139/18; LAG Baden- Württemberg 28.07.2021 – 4 Sa 68/20 a.A. aber etwa LAG Rheinland- Pfalz, 23.09.2013 – 5 Sa 18/13). Nach der vorliegenden Entscheidung (unter Hinweis auf LAG Schleswig- Holstein v. 18.1.2022 - 1 Sa 159/21, das den Anscheinsbeweis aber in den Entscheidungsgründen nur auf den Zugang bezieht) erbringt der Kündigende mit dem Auslieferungsbeleg und der Unterschrift eines Zustellers der Deutschen Post AG darüber hinaus auch den Anscheinsbeweis dafür, dass das Schreiben innerhalb der üblichen Postzustellzeiten zugegangen ist. Über die Frage, ob, wie weit und unter welchen Voraussetzungen bei Zustellung eines Einwurf- Einschreibens ein Anscheinsbeweis für den Zugang besteht, muss jetzt das BAG entscheiden.

Praxistipp
Um den Zugang einer Kündigung belegen zu können, empfiehlt sich der Einsatz eines Boten, der die Zustellung idealerweise zusätzlich protokolliert. Erfolgt die Kündigung durch Einwurf-Einschreiben, begründen Einlieferungsbeleg und Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers nach wohl herrschender Ansicht einen Anscheinsbeweis für den Zugang des Schreibens. Noch nicht geklärt ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Anscheinsbeweis sich auch auf den Zeitpunkt der Zustellung bezieht.

Dr. Ingo Plesterninks, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn 


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